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Oliver Reiser

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Knoblauch statt Viagra®? English Italiano

von Chiara Cabrele und Oliver Reiser

Kein anderes Medikamentist aufgrund fahrlässiger Anwendung für so viele Todesfälle verantwortlich wie Viagra, dennoch scheint es sich als Lifestyle Droge zu etablieren. Wie wäre es denn mit Knoblauch als Alternative? © Chemie-im-Alltag 2007.

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Knoblauch - das antike Viagra®?

Die Suche nach Potenz und Libido steigernden Substanzen ist so alt wie die Menschheit, und die hierfür angepriesenen Wundermittel sind vielfältig. Austern, Kaviar, Trüffel, Gurken, Spargel, Paprika, Muskatnuss, und so weiter, diese Liste ließe sich nach Belieben verlängern. Eine prominente Rolle spielt hierbei seit jeher der Knoblauch, den schon orientalische Völker der Antike oder der römische Dichter Vigil zur Steigerung der Potenz und der Libido anpriesen. Doch wurde die weiße Zwiebel auch in der Geburtshilfe, bei Menstruationsstörungen und Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane bis Ende des Mittelalters empfohlen.

Die vielen Seiten des Knoblauchs

In der Tat hat Knoblauch eine ganze Reihe von Eigenschaften, die einen positiven Effekt auf den menschlichen Körper ausüben. Dessen antibakteriellen Eigenschaften waren vor allem zu Zeiten von Typhus und Cholera geschätzt, als es noch keine modernen Antibiotika gab. Auch scheint Knoblauch zur Vorbeugung von Krebs, vor allem Magenkrebs, wirksam zu sein. Der positive Einfluss von Knoblauch auf den Cholesterinspiegel ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen. Ob Knoblauch allerdings zu Recht den Beinamen antikes Viagra verdient, ist eher umstritten. Allerdings haben Studien gezeigt, das frisch geschnittener Knoblauch in der Tat die Kontraktion der glatten Muskulatur verhindert, in dem die so genannte Cyclooxygenase und verwandte Enzyme inhibiert werden. Ob ein einzelner der vielen Inhaltsstoffe, die man im Knoblauch nachgewiesen hat, hierfür allein verantwortlich ist, ist nicht eindeutig geklärt. Die ungesättigte Schefelverbindung Ajoen (von spanisch Ajo [ausgesprochen Aho] für Knoblauch) spielt jedoch mit Sicherheit eine wichtige Rolle.

Ajoen - einer der zahlreichen Schwefel-haltigen Inhaltsstoffe des Knoblauchs

Ein Kilogramm Knoblauch enthält etwa 2,4g Alliin, die am häufigsten vorkommende, schwefelhaltige Verbindung des Knoblauchs. Sie ist geruchlos und zeigt keine biologische Wirkung. Bei Verletzungen des Fruchtfleisches, etwa beim Schneiden des Knoblauchs, wird Alliin durch das Enzym Alliinase, das sich in der unverletzten Zwiebel in einem anderen Kompartiment befindet, in Allicin umgewandelt. Aus Allicin entsteht beim Kochen Ajoen, das neben den schon erwähnten Wirkungen auch maßgeblich zur antithrombotischen Wirkung von Knoblauchextrakten beiträgt.

Obwohl der genaue Wirkmechanismus von Ajoen nicht bekannt ist, kann man doch leicht plausibel machen, dass diese und ähnliche Schefelverbindungen des Knoblauchs mit Enzymen unseres Körpers reagieren und sie so blockieren können. In der Proteinsequenz von Enzymen befinden sich auch mehrere Aminosäuren Cystein, die eine Thiolgruppe in der Seitenkette tragen. Diese Aminosäuren sind für die Funktion von Enzymen besonders wichtig, da sie durch Kopplung zweier Thiolgruppen die Faltung der Proteinkette steuern und so die für die Aktivität des Enzyms wichtigen Gruppen in die richtige Position zueinander bringen. Es ist vorstellbar, dass in analoger Weise auch Ajoen mit den Seitenketten des Cysteins im Protein reagiert, wodurch die Faltung gestört wird.

Die problematischen Seiten des Knoblauchs

Dass jemand Knoblauch gegessen hat, erkennt man sofort: Die darin enthaltenen Schefelverbindungen verströmen einen lange anhaltenden, unangenehmen Geruch, der dessen Nutzen als Aphrodisiakum doch eher fraglich erscheinen lässt. Dafür haben die kleinen Stinker, wie oben ausgeführt, durchaus viele positive Effekte auf die Gesundheit. Weniger gut bekannt ist aber, dass die Knoblauchverbindungen durch deren Wechselwirkung mit Enzymen die Wirkungsweise von Medikamenten, vor allem von Herzmedikamenten, so stark verstärken können, dass es im Extremfall zu Todesfällen gekommen ist. Wenn Sie solche Medikamente einnehmen, sollten Sie sich genau über mögliche Wechselwirkungen durch Schwefelverbindungen, wie sie im Knoblauch, aber auch im Grapefruitsaft vorkommen, informieren. Näheres hierzu lesen Sie demnächst hier im Portal.

Bildnachweis: Knoblauchzehe (Donovan Govan in Wikimedia Commons)

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