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Oliver Reiser

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Krebserregende Zimtsterne?

von Prof. Oliver Reiser

In Zimtgebäck wurden bedenklich hohe Konzentrationen an Cumarin festgestellt, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. © Chemie-im-Alltag 2006

Weihnachtszeit ist Zimtgebäckzeit. Millionen von Zimtsternen sind bereits produziert und warten darauf, bei Kerzenschein und Weihnachstliedern verzehrt zu werden. Mehrere Lebensmittelkontrollen im Laufe dieses Jahres brachten jedoch zu Tage, dass im Handel befindliches Gebäck bedenklich hohe Konzentration des im Zimt natürlich vorkommenden Inhaltstoffs Cumarin enthalten. Statt der erlaubten 2 mg Cumarin/ kg Lebensmittel wurde zum Teil das 30fache und mehr gemessen.

Cumarin - eine natürliche, aber giftige Verbindung

Cumarin ist ein natürlich vorkommender Pflanzenstoff. Für den typischen Geruch von frisch gemähtem Heu ist Cumarin verantwortlich, und auch in der Maibowle aus Waldmeister oder im Zimt trägt es zu dem charakteristischen Geschmack dieser Lebensmittel bei. Doch ist seit langem bekannt, das Cumarin Gesundheitsschädigungen hervorrufen kann: Leberentzündungen - glücklicherweise reversibel -, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Benommenheit gehören zu den bekannten Auswirkungen des Cumarins. Zudem steht es in Verdacht, krebserregend zu sein.

In der Tat wäre die krebserregende Wirkung beim bloßen Ansehen der Struktur von Cumarin nicht überraschend: Cumarin ist ein potenter Akzeptor für Nucleophile - ähnlich wie das bei Backprozessen entstehende Acrylamid, das vor einigen Jahren für Aufsehen sorgte -, so dass Cystein enthaltende Proteine hiermit eine Reaktion eingehen könnten und so in ihrer Funktion gestört würden. In Tierversuchen hat Cumarin in sehr hohen Mengen, die über lange Zeiträume verabreicht wurden, bei Ratten und Mäusen Krebs ausgelöst. Für den Menschen gibt es allerdings keine Hinweise auf eine cumarinbedingte Tumorentstehung.

Nicht alles aus der Natur ist gut!

Die Verwendung von Cumarin als Aromastoff ist in Deutschland, wie auch in den meisten europäischen Ländern und der USA, verboten. Der Zusatz von natürlichen, cumarinhaltigen Pflanzenteilen zu Lebensmitteln ist aber - getreu des Glaubens unserer Gesellschaft, dass alles aus der Natur kommende auch gut ist - erlaubt. Ein Höchstgehalt für Cumarin in Zimt ist gegenwärtig nicht festgelegt, nach der Aromenverordnung ist der Grenzwert von Cumarin allerdings auf 2 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel begrenzt.

Ceylon oder Caissazimt?

Zimt wird aus der Rinde von Zimtbäumen gewonnen. Es gibt zwei verschiedene Arten: den Ceylon Zimtbaum (cinnamomum ceylanicum), der nur geringe Mengen an Cumarin enthält, sowie die Zimtkassie (cinnamomum cassia), die einen hohen Cumaringehalt aufweist. Der aus letzterer gewonnene Caissazimt - in Presseberichten war hier bereits schon abwertend und in völlig unzutreffender Weise von Industriezimt zu lesen - ist deutlich preiswerter als der Ceylonzimt.

Für den Verbraucher ist es schwer, zwischen den beiden Zimtarten zu unterscheiden. Auf vielen Lebensmitteln wird die Herkunft des Zimts nicht oder nur unzureichend deklariert - so wird etwa der Ceylonzimt oftmals mit dem billigeren Caissazimt gestreckt, so dass man sich bei einer Aussage enthält Ceylonzimt nicht darauf verlassen kann, dass nicht auch Caissazimt in dem Lebensmittel enthalten ist.

Wie immer kommt es letztendlich auf die Dosis an. Auch bei höher belastetem Zimtgebäck mit Cumarin ist ein mäßiger Genuss von Zimtgebäck nicht gefährlich. Wen allerdings eine Zimtsternattacke überkommt, bei der das Gebäck tütenweise verzehrt wird, tut gut daran, sich über die Herkunft des Zimts zu informieren und vor allem Billiggebäck zu meiden.

 

Bildnachweis
Zimtstange (Gnu Free Documentation Licence), Zimstern (Inhaltsverzeichnis), Ceylonzimt und Zimtkassie: Wikimedia Commons (Public Domain)

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