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Sarin - Hauch des Todes

von Tobias Premke

Als die Atemluft zum unsichtbarem Killer wurde: C-Waffen als grausames Terrorwerkzeug


Wir schreiben Montag, den 20. März 1995. Es ist ein traumhaft schöner Frühlingsmorgen, die Welt ist noch in Ordnung. Wie an jedem Tag machen sich auch an diesem Montag tausende Menschen auf den Weg in die Arbeit oder in die Schule. Ihr Verkehrsmittel? Natürlich eine der 12 verschiedenen U-Bahnlinien der Tokio Metro. Es ist kurz vor acht, die morgendliche Rush-hour Tokio´s ist in vollem Gange.

Zu dieser Zeit betreten fünf Mitglieder einer Sekte, die sich selbst „Omu Shinrikyo" (Om-Lehre der Wahrheit) nennt, fünf verschiedene U-Bahnlinien. Alle haben einen in Zeitungen eingepackten Plastikbeutel dabei. Zeitgleich um 8:00 Uhr stechen sie die Plastikbeutel mit der angeschärften Spitze ihrer Regenschirme und verlassen hastig die U-Bahnzüge.

Die Passagiere ahnen nicht, dass sich in den zerstochenen Päckchen das Giftgas Sarin befindet, das sich nun in der U-Bahn auszubreiten beginnt. Erst als kurz darauf Leute in Ohnmacht fallen bricht Panik aus. 12 Menschen sterben, über 3000 werden zum Teil schwer verletzt.

Was ist Sarin?

Sarin (Methylfluorphosphonsäureisopropylester) ist eine farblose Flüssigkeit, die bei Zimmertemperatur geruchlos verdampft. Sie ist hochgiftig und schon in äußerst geringen Dosen tödlich (1 Gramm tötet bis zu 1000 Menschen). Eingesetzt wurde Sarin bisher im Krieg Irak gegen den Iran, sowie 1988 gegen kurdische Minderheiten im Irak.

Ursprünglich forschte der Chemiker Gerhard Schrader 1936 nach Insektiziden. Er stieß auf ein äußerst starkes Gift (Tabun), welches Blattläuse in einer 1:200 000 fachen Verdünnung sofort tötete. Nachdem die deutsche Wehrmacht von dem „misslungenem Insektizid“ erfuhr, ließ sie tausende Tonnen davon herstellen. Schrader wurde aufgefordert, weiter nach militärisch nutzbaren Chemikalien zu forschen. 1938 stieß die Forschergruppe um Schrader auf Sarin, welches viermal so wirksam ist wie Tabun. Der Trivialname Sarin stammt von den Erfindern Scharder, Ambros, Rüdiger und Linde.

Wie wirkt Sarin?

Die Aufnahme von Sarin ist über die Haut und die Atmung möglich. Sarin blockiert ein für die Nervenübertragung lebenswichtiges Enzym, die sogenannte Acetylcholinesterase. Dadurch kommt es zu einem Anstieg des Neurotransmitters Acetylcholin in den Synapsen und damit zu einer Dauerreizung des Parasympathicus, auch Ruhenerv genannt. Es kann keine Impulsleitung im Nervensystem mehr stattfinden, so dass es zur totalen Verkrampfung der Muskulatur kommt, wodurch Atemstillstand und letztendlich der Tod eintritt. Im Notfall kann Atropin, selbst ein Gift, als Antidot eingesetzt werden, es blockiert die Funktion von Acetylcholin.

Terrorismus im 21. Jahrhundert

Terroristische Vereinigungen haben mit Stoffen wie Sarin einen relativ leicht herstellbaren Kampfstoff, den sie zur Durchsetzung ihrer Ansichten einsetzten können. Die vier benötigten Ausgangsstoffe lassen sich über den Chemikaliengroßhandel per Katalog bestellen, ohne Verdacht zu erregen. Sie werden für die Herstellung von Pestiziden und Kunststoffen benötigt, sind in Zahnpasta und im Rasierwasser enthalten.

Terrorismus wird sich nie ganz verhindern lassen.

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