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Oliver Reiser

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Das Hochwasser geht, der Sand bleibt

von Oliver Reiser

Mit dem Hochwasser wird viel Sand in Straßen und Häuser gespült. Sand ist eigentlich eine pulvrige, leicht bewegliche Substanz. Im Kontakt mit Wasser wird Sand aber hart wie Beton. Warum ist das so? © Chemie-im-Alltag 2002

Sand gehört zu den am häufigsten in der Natur vorkommenden chemischen Substanzen. Es ist die erste Chemikalie, an der wir uns bewusst schon im frühesten Kindesalter erfreuen: Im pulvrigen, leicht bewegliche Sand lässt es sich toll spielen: man kann stundenlang im Sand graben und sich die feinen Sandkörner immer wieder durch die Finger rieseln lassen.

Der Chemiker im Sandkasten

Doch auch schon die kleinsten Kinder erkennen sehr schnell, dass man Sand nur zum Bauen von Burgen verwenden kann, wenn man einen physikalisch-chemischen Prozess einleitet: Durch Zugabe von Wasser wird der Sand klebrig und hart, und man kann nun stabile Gebilde aller Art und in jeder Höhe damit herstellen.

Was am Strand viel Spaß bringt, erweist sich für die von der Flut betroffenen Gebiete als ein zusätzliches Hindernis: Nachdem das Wasser zurückgewichen ist, bleibt der Sand als eine harte Masse zurück, deren Abtransport große Probleme bereitet. Warum bleibt der Sand nicht pulvrig?

Wasser – Klebstoff für Sand

Sand ist Siliciumdioxid und hat die chemische Formel SiO2. Aufgebaut sind Sandmoleküle folgendermaßen: Vier Sauerstoffatome umgeben ein Siliciumatom tetraedrisch, dabei teilen sich immer zwei Siliciumatome jedes Sauerstoffatom in den Ecken. Die Tetraeder sind also über die Ecken miteinander verbunden (siehe Abbildung rechts), und es entstehen auf diese Weise schraubenförmige Ketten. Diese Ketten ziehen sich untereinander nicht an. Im Gegenteil, die außen liegenden, negativ polarisierten Sauerstoffmoleküle bewirken, dass zwei Ketten sich untereinander sogar abstoßen.

Wasser dagegen hat eine gewinkelte Struktur, in der die Wasserstoffatome positiv polarisiert sind. Vereinfacht gesprochen hat das Wassermolekül außen liegende Pluspole (Wasserstoffatome) und Minuspole (Sauerstoffatome), während beim Sand das als Pluspol wirkende Silicium im Inneren der Tetraeder versteckt ist.

Die positiven Enden des Wassermoleküls sind nun in der Lage, mit den negativen Enden der Sandketten eine anziehende Wechselwirkung einzugehen, man spricht von Adhäsion oder auch von Wasserstoffbrückenbindungen. Die kleinen Wassermoleküle, die in den Sand leicht eindringen können, verkleben also die Sandketten miteinander (siehe Abbildung links). Den gleichen Effekt kennt man von Zucker, wenn er feucht wird. Aufgrund der Anziehungskräfte (Adhäsionskräfte) zwischen Wasser- und Sandmolekülen verdunstet das mit dem Sand verbundene Wasser auch nur langsam, wenn die Sonne darauf scheint. Wie groß die Adhäsionskräfte sind, bekommt jetzt jeder zu spüren, der einen feuchten Sandberg abtragen muss.

Ich wünsche allen Betroffenen und den Helfern viel Kraft im Kampf gegen das Hochwasser.

 

Bildnachweis: Julia - Hallo Internet! Hallo Welt!! mi freundlicher Genehmigung von Ralf Blien