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Oliver Reiser

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Impfstoff gegen AIDS-Virus zeigt Wirkung?

von Prof. Oliver Reiser

Die Ergebnisse der ersten klinischen Studien mit AIDSVAX haben die kühnsten Erwartungen übertroffen: Eine Reduktion der AIDS-Infektion von bis zu 78 Prozent wurde mit dem neuen Impfstoff erreicht.

Nahezu zwei Jahrzehnte, nachdem der AIDS-Virus entdeckt wurde, wurde die erfolgreiche Entwicklung eines Impfstoffs gegen den Erreger gemeldet. In diesen Tagen wurden die ersten Ergebnisse einer ersten Studie von AIDSVAX am Menschen bekannt gegeben. Der Erfolg des Impfstoffs im Schutz vor AIDS wird hierin eindrucksvoll dokumentiert. Allerdings ist die Effektivität von AIDSVAX stark abhängig von der ethnischen Herkunft: Während bei Farbigen und Asiaten die Infektionsrate um mehr als zwei Drittel zurückgeht, ist bei Weißen der Impfstoff nahezu unwirksam.

Eine Sternstunde in der rationalen Medikamentenentwicklung - HIV-Proteasehemmer

Nachdem in den 1980er Jahren AIDS als die große Bedrohung für die Menschheit gehalten wurde, begann ein beispielloser Wettlauf um die Entwicklung von wirksamen Medikamenten gegen den Virus. Anders als bei der bisherigen Suche nach neuen Medikamenten wurde zum ersten Male nicht das Testen möglichst vieler, zufällig ausgesuchter Verbindungen durchgeführt in der Hoffnung, auf diese Weise eine wirksame Substanz zu finden. Dieses Vorgehen entspricht also der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Vielmehr führte ein gezieltes Vorgehen zum Erfolg: AIDS wird durch den "human immunodeficiency virus", kurz HIV ausgelöst. Im Genom dieses Virus sind vier Enzyme codiert. Eines hiervon ist die Reverse Transkriptase (RT), die für die Entwicklung des Virus notwendig ist. Die Hemmung dieses Enzyms ist daher ein viel versprechender Ansatz im Kampf gegen AIDS. Hierfür muss man die Struktur des Enzyms, genauer gesagt das aktive Zentrum, das für die Funktion des Enzyms verantwortlich ist, identifizieren.

Die Nadel im Heuhaufen

Enzyme haben äußerst komplizierte Strukturen, aber mit Hilfe moderner Techniken, der so genannten Röntgenstrukturanalyse, gelang es, ein genaues Bild der Reversen Transkriptase zu erhalten (Abbildung rechts). Das aktive Zentrum ist deutlich in der Mitte der Abbildung als Hohlraum zu erkennen, den das Enzym nutzt, um den HIV Virus zu replizieren. Findet man ein Molekül, das in diesen Hohlraum genau passt, kann es die Funktion des Enzyms blockieren und damit die Vermehrung des Virus erfolgreich verhindern.

Mit Hilfe von Computern gelingt es mit guter Präzision, Moleküle zu entwerfen, die genau an das aktive Zentrum binden. In der Tat gelang es auf diese Weise, eine ganze Reihe von das Enzym blockierende Substanzen, sogenannten Inhibitoren, zu finden. Hieraus wurden die heute im klinischen Einsatz befindlichen Proteasehemmer entwickelt, einer der bekanntesten aus dieser Klasse ist das AZT. Um in der Sprache des Heuhaufens zu bleiben: Man findet heraus, dass die Nadel magnetisch ist und sucht nun die Nadel, in dem man einen starken Magneten in den Heuhaufen hält.

 

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